45

Fabia Terni lief nervös vor dem Gepäckband auf und ab. Es hatte sich noch nicht in Bewegung gesetzt. Sofi hielt ihr Gesicht so nah vor den Bildschirm, dass ihre Nasenspitze kitzelte. Es war ganz leicht gewesen, sie zu entdecken. Fabia hatte tatsächlich in der Maschine gesessen, die am Freitagmorgen um zehn Uhr aus Rom gekommen war. Sie trug nicht dieselbe Kleidung wie bei ihrem Tod. Trotz des Schwarzweißbildes hätte Sofi darauf gewettet, dass der knielange Rock dunkelblau war. Die Bluse war weiß. Mit ihr warteten ein Dutzend weiterer Reisender, die alle italienisch aussahen. Auch sie gingen nervös auf und ab.

„Das ist immer so“, sagte Obawa neben ihr. „Das Gepäck kommt bei Flughäfen im Ausland viel schneller. Unser Band macht Ausländer nervös.“

Sofi ließ Fabia nicht aus den Augen. Die meisten Passagiere um sie herum nutzten die Wartepause, um ihre Telefone wieder einzuschalten. Fabia tat das nicht.

„Wird sie dann durch einen Diplomatenausgang gehen?“

„Nicht bei EU-Flügen. Da wird bei der Ankunft gar nicht kontrolliert.“

Fabia wandte sich ab und verschwand.

„Entweder wechselt sie Geld oder geht zur Toilette“, kommentierte Obawa. „Etwas anderes kann sie nicht machen.“

Drei Minuten vergingen, bis Fabia zurückkehrte.

„Die Toilette“, entschied Obawa. „Geldwechseln dauert nie länger als dreißig Sekunden.“

Das Band setzte sich in Bewegung. Fabias Tasche kam als erstes Gepäckstück, da es nur eine kleine Tasche war. Die hatte im Laderaum bestimmt ganz oben gelegen. Fabia verließ das Band und sah sich nach allen Seiten um.

Sofi zuckte zusammen. Fabia Terni richtete ihren Blick direkt in die Kamera und löste ihn erst, als sie hinaus in den Gang verschwand.

Sofi spulte zurück und sah sich die Sequenz noch einmal an.

„Ist die Kamera gut zu sehen?“

Obawas Augen fixierten den Monitor. Anscheinend fand auch er Fabia Ternis Verhalten ungewöhnlich. „Ich weiß nicht. Ich kenne zwar jeden Fleck in dieser Halle, bin selbst aber darin gewesen.“

Fünf Minuten später erschien Sofi Johansson auf der Live-Überwachung. Vor dem Gepäckband stehend sah sie sich suchend um. Es vergingen weitere fünf Minuten, bis sie zu Obawa zurückkehrte.

„Man sieht nichts!“, sagte Sofi erstaunt. „Ich habe sie erst nach einiger Zeit entdeckt, oder besser, vermutet.“

„Ich glaube, die Kameras sind aus Absicht versteckt, damit man sich nicht wegdrehen kann. Jedenfalls hat mir noch nie jemand in die Augen geschaut.“

Sie nahmen sich das nächste Band vor. Es stammte von der Kamera, die den langen Korridor und die Drehtüren ins Freie überwachten.

„Geh ins Freie!“, feuerte Sofi sie an. „Geh ins Freie!“

Aber Fabia ging nicht in Freie. Sie lief zielsicher den Korridor entlang und verschwand auf der Rolltreppe hinab zum Expresszug in die Stadt.

„Warum sollte sie ins Freie gehen?“, wollte Obawa wissen.

„Dann hätte sie ein Taxi genommen, und ich könnte herausfinden, wo es sie abgesetzt hat.“